Das Zeitalter der Kohle

Glück auf, Glück auf ! Der Steiger kommt,
und er hat sein helles Licht bei der Nacht,
und er hat sein helles Licht bei der Nacht
schon angezündt, schon angezündt.

… so schallt es mir entgegen, als ich die Treppenstufen zur Standseilbahn hochkomme. Ich habe mir in der vergangenen Woche die Ausstellung „Das Zeitalter der Kohle – Eine europäische Geschichte“ im Ruhrmuseum in Essen angesehen. Genauer gesagt in der Mischanlage der Kokerei Zollverein.

Ich starte nach ein paar Treppenstufen im Wiegeturm direkt am Parkplatz C mit einer sogenannten Standseilbahn. Über die Bandbrücke geht es den Weg der Kohle, nach oben in die Mischanlage der Kokerei. Bitte anschnallen, die Arme nicht raus halten, oben sitzen bleiben, bis zum Stillstand höre ich die Anweisungen. Aus den Lautsprechern ertönt die Blues Version von Glück auf, gesungen von Stefan Stoppok.

Gleich nach Betreten der Ausstellung liegt oben das größte Stück Kohle, das je in die Mischanlage befördert wurde. Es wurde aus der letzten aktiven Steinkohlenzeche Prosper-Haniel in Bottrop gefördert. Sieben Tonnen schwer, 1,60 Meter hoch ist der Kohlebrocken und um ihn herum wachsen Schachtelhalme und Farne, so muß es ausgesehen haben im Ruhrgebiet, bevor daraus vor Jahrmillionen die Kohle entstand.

Die Kohle gelangte von hier oben früher auf die Verteilerebene, ich hingegen gehe die Treppe herunter. Natürlich ist das Ruhrgebiet nicht die einzige Kohleregion und das wird als nächstes an Hand der Kohlevorkommen außerhalb Europas, in den USA, Australien usw. gezeigt. Jede Region ist mit einem Stück Kohle vertreten. Wiederum eine Treppe tiefer befinden sich die Werkzeuge, mit denen Arbeiter früher an die Kohle gelangten. Helme, Schutzanzüge, Pickhacken, Lampen begleitet von Fotos, welche die Arbeit im Bergbau dokumentieren.

Wie ich schon in meinem Beitrag „Revierfolklore“ beschrieben habe, kann man sich kaum vorstellen, wie unsere Großväter (so sie denn im Bergbau tätig waren), für die Kohle malochen mußten. Die ganze Etage zeigt, welche Ausrüstung der Bergmann mit sich führt, welche Technik für die Bewetterung (Belüftung) notwendig ist und wie die Rettung erfolgt, wenn dann doch mal was passiert. Nichts wird beschönigt, selbst Fotos verstorbener Bergleute begleiten die Ausstellung.

Insgesamt werden 1.200 Exponate auf drei Ebenen gezeigt, auch kurioses wie z.B. ein Beatmungsgerät für Vögel, die man seinerzeit mit unter Tage nahm, um rechtzeitig vor „bösen Wettern“ gewarnt zu werden. Aber nicht nur die Exponate sind Programm, die Mischanlage selbst mindestens ebenso. Die verschiedenen Ebenen der Ausstellung werden über ein Treppenhaus verbunden, das optisch einem Bergwerksschacht nachgebildet wurde. Früher rutschte hier die Kohle lang, jetzt geben Meterabgaben eine grobe Vorstellung der Tiefe.

Eine Etage tiefer geht es um die Nebenprodukte der Kohle (z.B. Steinkohlenteer) die beim verkoken von Kohle in der Kokerei entstehen. Das Kohlegas z.B. wurde wiederverwendet, um künstliches Licht zu erzeugen. So hängen 27 Gasstraßenleuchten (aus den Jahren 1880 – 1930) von der Decke eines Ausstellungsraumes und als Krönung finden sich eine Wand weiter 3.000 historische Glasfläschchen mit Teerfarbstoffen im Regal. Jeder der früher mal einen Kaufmannsladen im Kinderzimmer hatte dürfte hier neidisch werden.

Auch Bakelit, ein Kunststoff – Abfallprodukt der Steinkohledestilation ist ein Stoff, den ich nicht mit Kohle in Verbindung gebracht hätte. Na, wer hat auch noch so einen alten, schwarzen Lichtdrehschalter im Keller? Last but not least hat sogar das Aspirin seine Entstehungsgeschichte aus Phenolen des Steinkohlenteers. Die heute verteufelten Azofarbstoffe, die giftige oder krebserzeugende Amine freisetzen können, wurden anfangs sogar als antibakterielle Medizin verwendet.

In der Ausstellung gibt es dann einen kritischen Blick auf die beiden Weltkriege, denn auch TNT, Flugbenzin und Gummireifen wurden aus den Steinkohlenteer hergestellt. Inmitten des Trichters der Mischanlage, dem einzigen Raum, der nicht betretbar ist, schwebt frei und glitzernd der „Dark Star“, eine für diese Schau gefertigte Installation aus Fiberglas und Kohlenstaub des Künstlers Jonathan Anderson. Zurück im Treppenhaus geht es für den Besucher auf der Trichterebene schließlich um die Nachkriegszeit, Wiederaufbau und Folgen des Kohlezeitalters bis hin zu den aus dem Kulturhauptstadtjahr bekannten Schachtzeichen.

Hier liegt auch der nicht öffentlich einsehbare Gründungsvertrag der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) in einem Schaukasten. Der Gründungsvertrag enthält die Unterschriften der Außenminister von 1951, darunter die von Konrad Adenauer, der seinerzeit auch Außenminister war. Eines der leuchtend gelben Schachtzeichen aus dem Jahr 2010 wurde schließlich in einem Trichter nachgestellt.

Vor der Türe stehen noch Maschinen des modernen Bergbaus, die unabhängig von der Ausstellung betrachtet werden können. Man kann gar nicht alles erwähnen, was bei der Vielzahl an Ausstellungsgegenständen auch schwierig wäre. Die Ausstellung (Eintritt 10,- €) läuft bis zum 11.11.2018, kostet 2,5 Mio. Euro und wurde mit 1,5 Mio. durch die RAG-Stiftung gefördert.

Eine Empfehlung, wenn man sich für die Geschichte des Ruhrgebiets interessiert? Auf jeden Fall. Noch ein paar weitere Bilder gibt’s (wie immer) bei Flickr oder Google Photos. In diesem Sinne, ein herzliches Glück auf.

2 Kommentare

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