Lost Place Stadtbad – Auf zu neuen Ufern

Was macht ihr eigentlich am 11. Mai 2024. Da spielen Pussy Riot im Herrenbad des alten Stadtbads in Krefeld. Wie bitte?! Ernsthaft? Mit Schutzhelm auf dem Kopf und Stempel auf dem Unterarm stand ich letzten Samstag im Stadtumbaubüro auf der Neusser Str. in Krefeld. Vielleicht erinnert ihr euch, im Frühjahr durfte ich den Freibadbereich des alten Krefelder Stadtbads besichtigen und jetzt sollte es in den Innenbereich gehen. Mal sehen, was sich hinter der unscheinbaren Hausfassade versteckt.

Wir beamen uns kurz zurück ins Jahr 1890, als man sich an Waschschüsseln wusch und für ein ausgiebiges Bad in eine öffentliche Badeanstalt ging. Ein langer Gang führt zu den ersten Treppenstufen und Treppen gibt’s hier reichlich. An der Wand ein verblasstes Gemälde des Krefelder Künstlers Fritz Huhnen. Es zeigt die Schwimmerin Wiltrud Urselmann, die bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom eine Silbermedaille geholt hat. Die Feuchtigkeit im Mauerwerk hat dem Bild zugesetzt.

Die veranschlagten Baukosten für das Bad, so erfahren wir, betrugen seinerzeit 200.000,- Reichsmark, doch am Ende waren es weit über 900.000,- Reichsmark. Wir laufen vorbei an grauen Türen und durch Gänge, die nur spärlich vom Sonnenlicht beschienen sind. Der Fußboden ist mit Bodenfliesen ausgelegt, auf denen sich eine Staubschicht niedergelassen hat. Kriminelle haben einen Teil der Fliesen rausgeschlagen und geklaut. Gleiches gilt für einen Griff an der Badewanne des Kaiserbades. Mutwillig rausgerissen und damit für immer zerstört.

Das prunkvolle Kaiserbad, das man seinerzeit speziell für den Kaiser erbaut hatte, wurde von ihm übrigens nie genutzt. Mehr zur Geschichte des Bades findet ihr bei Wikipedia, jedoch fehlt in dem Artikel der Verein der „Freischwimmer e.V.“. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Stadtbad wieder herzurichten. Allerdings nicht zwingend als Schwimmbad, daher auch der, zugegeben nicht ganz ernst gemeinte, Veranstaltungshinweis zu Pussy Riot vom Anfang. 🙂

Er soll aber zeigen, daß es voran geht mit dem alten Stadtbad, weg von einem Lost Place, auf zu neuen Ufern. Unser Rundgang wird amüsant und unaufdringlich begleitet, durch eine Tänzerin, einen Saxophonisten und einem Arbeiter, der sein Büro in einer alten Badewanne hat. Die Walking Acts tauchen auf und sind ebenso schnell wieder verschwunden. Dann stehen wir im Herzstück des Bades, in der Schwimmhalle. Zuerst der des Damen- dann der des Herrenbades (vielleicht auch umgekehrt).

Der Hall des Saxophons klingt imposant in der hohen Halle, die Deckengewölbe, die Umkleidekabinen, alles wie gerade verlassen, wenn nicht der Taubendreck von den zwischenzeitlichen Besuchern erzählen würde. Als ich vor 30 Jahren nach Krefeld zog, war das Schwimmbad noch in Betrieb. Ich war allerdings nie drin und nach dem Erdbeben im Jahr 1992 ging‘s bis zur endgültigen Schließung steil bergab.

Da der Betrieb eines neues Schwimmbads nur mit enormem Aufwand zu verwirklichen wäre, sind nun andere Ideen gesucht. Vielleicht spielt hier zukünftig ein Theater oder es wird zur Werkstatt, ein Gesundheitszentrum, ein Lesesaal oder ein Marktplatz. Vielleicht findet in ein paar Jahren ein BarCamp oder die lit.Niederrhein (als Gegenstück zur lit.Cologne) hier statt. Laßt euren Ideen freien Lauf, der Freischwimmer e.V. freut sich auf eure Anregungen.

Im Büro vor Ort, über die Homepage oder über die sozialen Netzwerke bei Facebook oder Instagram. Das gilt übrigens auch für das Freibad, in dem unser Rundgang an diesem Samstag endet. Ein Café, ein Angelteich, ein Fahrradverleih? Nur eins ist wichtig, es muß ins Stadtviertel passen, denn das gehört nicht zu den reichsten Vierteln Krefelds. Soweit mein erster Eindruck, bessere Bilder gibt’s hoffentlich im Oktober, denn am 05.10. gehe ich auf Fotosafari im Stadtbad.

6 Kommentare

    1. Ich denke als Bad wird es in Krefeld außer bei Nostalgikern einem Bad nicht mehr gerecht. Das eigentliche Schwimmbad (Hallen- wie Freibad) kränkelt bereits und muß renoviert werden. Da wird man sich vermutlich nicht noch ein zweites Bad ans Bein binden. Mal sehen, was die Bevölkerung so für Ideen mit einbringt.

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  1. Hallo Michael, klasse Aufnahmen mit interessantem Bericht hast du hier verfasst. Das kontroverse Thema zwischen Nutzung und Abriss scheint überall gleich 😉

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