Der Wecker klingelt sehr früh für einen Samstag und bis zum Sonnenaufgang dauert es noch zwei Stunden. Der Nebel löst sich nur langsam auf an diesem Morgen. Ich nippe ein letztes Mal an meinem Kaffee, dann geht’s los. Klingt wie der Anfang eines Buchs, ist aber der Start zum Besuch des größten Regionalparks Europas. Wo der liegt? Na mitten im Ruhrgebiet. Genauer zwischen Duisburg im Westen und Bönen, Bergkamen und Holzwickede im Osten. Der Park hat keinen Ein- oder Ausgang, so wie man es vielleicht vom Westfalenpark oder vom Grugapark kennt, sondern es geht um Wälder und Wiesen, Halden und Landmarken, Industriekultur und mehr auf über 450 km². Quer durchs Ruhrgebiet erstreckt sich der Emscherlandschaftspark, eine Kooperation aus Regionalverband Ruhr, 20 Kommunen, zwei Kreisen, drei Regierungsbezirken, vom Land NRW sowie von Emschergenossenschaft und Lippeverband. Puh, das klingt kompliziert, oder?
Nein, keine Angst. Eigentlich geht es um Freizeit, um Erholung und ganz nebenbei um das Erleben von Industriegeschichte. Der Emscher Landschaftspark erstreckt sich da, wo früher Industrie war und heute mehr Grün ist, als manch einer vermutet. Wenn 2018 die letzte Zeche schließt, ist das Thema Kohle und Bergbau, Industrie und Stahl vielfach Geschichte. Das heißt aber nicht, daß das Ruhrgebiet dann nichts mehr zu bieten hätte. Ich kann da aus Erfahrung sprechen, denn ich bin in den 90’er Jahren vom Ruhrgebiet an den Niederrhein gezogen und habe meine alte Heimat in den letzten 6 Jahren komplett neu kennen gelernt.
Warum ich noch nicht zurückgezogen bin? Tja, das ist eine ganz eigene Geschichte, die diesen Beitrag bei weitem sprengen würde, darum laßt uns zu einer kleinen Rundreise starten. Wir beginnen um kurz nach 9.00 Uhr am Hauptbahnhof in Essen und werden dort zunächst sehr nett durch die Organisatorin der Tour in Empfang genommen. Ein kleiner Reisebus bringt uns, 4 Bloggerinnen und Blogger *), sogleich ans erste Ziel, Haus Ripshorst in Oberhausen. *) WahlheimatRuhr Pottgewächs Kaddinator
09:20 Uhr – Auf ca. 40 ha findet ihr hier im Gehölzgarten Ripshorst rd. 6.000 Bäume, die euch vom Tertiärwald bis zu heutigen Kulturgehölzen etwas über die Erdgeschichte erzählen. Da viele Laubbäume darunter sind, lohnt sich gerade jetzt im Herbst ein Spaziergang. Auf einer Lichtung taucht aus dem immer noch aufsteigenden Nebel langsam der tanzende Strommast (genannt „Zauberlehrling“) auf, über den ich hier schon mal berichtet habe. Auch der Rhein-Herne-Kanal zeigt sich im Morgenlicht. Das erste Paddelboot zieht seine Bahn und von der geschwungenen Brücke führt uns der Weg in den multimedialen Vorraum des RVR-Informationszentrums im Haus Ripshorst. Probiert mal das begehbare Modell des Parks aus, trinkt einen Kaffee oder laßt euch persönlich beraten. Nach Kaffee und überreichen des Lunchpaketes machen wir uns wieder auf den Weg.
11:20 Uhr – Der Bus fährt uns weiter nach Gelsenkirchen zum Nordsternpark und zur Zeche Nordstern. Hier startete der Steinkohleabbau bereits Mitte des 19. Jahrhunderts. Nach zum Teil kriegsbedingtem auf und ab wurde die Zeche Nordstern (nach Zusammenlegung genauer Nordstern-Zollverein) 1986 stillgelegt. Anschließend wurde das Gelände begrünt und beherbergte 1997 die Bundesgartenschau. Noch heute kann man einige der Gestaltungsareale von damals erkennen und wenn ihr euch selber einen Überblick verschaffen wollt, erklimmt den Hügel in Mitten des Parks und genießt die Aussicht.
Relativ neu und von weitem sichtbar ist die 18 Meter große und 23 Tonnen schwere Skulptur „Herkules“ des Künstlers Markus Lüpertz, denn sie steht oben auf dem ehemaligen Turm der Zeche, noch oberhalb der Aussichtsterrasse, die in 83 Meter Höhe besucht werden kann. Wir sind immer noch im Emscherlandschaftspark, weshalb auch Emscher und Rhein-Herne-Kanal nicht weit sind. Direkt am Wasser des Kanals befindet sich das Amphitheater sowie die Graffitiwand und auch über den Emscherumbau und über die Emscherperlen habe ich euch hier bereits etwas erzählt.
12:20 Uhr – Die Zeit verläuft wie im Fluge, bei dem tollen Wetter aber auch kein Wunder. Wieder bei unserem Bus angekommen, geht es erst einmal zum Mittagessen. „Am Handweiser“ in Herten (gleich unterhalb der Halde Hoheward) befindet sich die kleine Gaststätte, die uns mit leckerem und deftig gewürztem Mittagessen verköstigt (meine Wirsingroulade war größer als meine Faust 🙂 ). Unterdessen nutzen wir die Gelegenheit, uns unsere Blogs gegenseitig vorzustellen bevor es dann gegen 14:00 Uhr auf die Halde Hoheward geht.
14:00 Uhr – D.h. Moment, als kleines Bonbon gibt es nach dem Essen noch einen exklusiven Blick in die Wasch- bzw. Schwarzkaue der Zeche Ewald und schwupps, im Nullkommanix sind alle 4 Blogger auf Nimmerwiedersehen fotografierend in der Kaue verschwunden :-).
14:30 Uhr – Wir erreichen mit leichter Verspätung die Halde. Die Halde Hoheward ist mit einer Höhe von 152,5 die dritthöchste Halde im Ruhrgebiet und die einzige, bei der ein Tunnel da war, bevor der Berg kam. Nur die Halden Oberscholven (nicht öffentlich) und die Halde Haniel in Bottrop sind knapp höher. Erzählt habe ich euch schon häufiger von dieser Halde (z.B. hier), so bequem wie heute bin ich aber noch nie hinauf gekommen. Wir durften nämlich die Schranke öffnen und mit dem Bus bis fast ganz nach oben fahren. Hatte ein bisschen was von Klassenfahrt, nur daß wir die nette Lehrerin erst heute kennengelernt haben ;-).
Das Horizontobservatorium und der Obelisk nebst Sonnenuhr sind die beiden Highlights, wobei das Observatorium leider aus Sicherheitsgründen seit Jahren gesperrt ist. Bei entsprechender Wetterlage reicht die Aussicht von hier oben bis zu 50 km weit. Leider reichte unsere Zeit nicht für einen umfangreicheren Spaziergang, daher der Hinweis, bringt ein bisschen Zeit mit und jetzt im Herbst vielleicht einen Drachen, um selbigen steigen zu lassen.
16:00 Uhr – Unser letztes Ziel liegt ganz weit östlich im Emscherlandschaftspark. Die Ökologiestation des Kreises Unna in Bergkamen. Soweit bin ich bisher noch nicht ins östliche Ruhrgebiet vorgedrungen. Bereits auf der Zufahrt herrscht reger Verkehr, denn an diesem Samstag fand dort der „Tag des Apfels“ mit kleinen Marktständen, Musik, Pflanzenbörse und natürlich Äpfeln (und Birnen, Kürbissen etc.) statt. Wir bekommen eine kleine Führung über das Gelände, erfahren etwas über den Fleischzerlegebetrieb Neuland, im dem nur Tiere zerlegt werden, die vorher artgerecht und umweltschonend gehalten wurden, über das Lehrbienenhaus, über biologische Klärung von Abwasser und daß es ein Gästehaus gibt, in dem Schulklassen oder auch ihr selbst übernachten könnt.
17.00 Uhr – Die Zeiger der Uhr sind bereits weit fortgeschritten, als wir uns auf den Rückweg machen. Jetzt wo ihr den Emscherlandschaftspark in Schriftform kennengelernt habt, schaut doch mal im Internet vorbei und plant eure eigene Tour. Auch wenn jetzt die dunkle Jahreszeit kommt, im kommenden Jahr wird es wieder über 100 neue Veranstaltungen geben, viele davon draußen, einige kosten etwas andere sind kostenlos. Ich empfehle dazu die Seiten der Metropole Ruhr, was nahe liegt die des Emscherlandschaftsparks oder von Ruhr Tourismus.
Ob ich noch ein paar Stichworte geben kann? Wie wäre es mit einem StreetFood- Musik- oder Theater Picknick auf der Halde oder unter’m Förderturm, einer Segway oder einer Radtour, eine Forschertour mit der Familie, eine Schiffstour oder einfach eine Tour per Pedes, also zu Fuß. Wenn ihr bis hierher durchgehalten habt, zum Schluß noch der Hinweis, daß ich zu der Bloggerrundreise durch den Regionalverband Ruhr (RVR) eingeladen wurde, meine Meinung ist trotzdem meine eigene. Ein herzliches Dankeschön an die tolle Organisation und an den Tourguide Rainhard, der uns mehr erzählt hat, als ich hier jemals wiedergeben kann. Weitere Fotos gibt’s bei Flickr und GooglePhotos.
Die selbe Tour aber aus einem andern Blickwinkel, gibt’s auch bei Wahlheimat Ruhr, bei Pottgewächs und bei Kaddinator.
Na guck, da hätten wir uns ja fast mal persönlich kennen gelernt 🙂 Tolle Fotos, ich hab mich total gefreut, dass ihr nach dem anfänglichen Nebel noch so ein tolles Wetter hattet… LG und einen feinen Feiertag! Haydee
Vielleicht bei der nächsten Tour :-). Wobei der Nebel ja sogar noch richtig gut war für die ersten Fotos.
[…] die oder der jeweils andere mitgenommen haben. Michael betitelt jedenfalls seinen Artikel „Ein Tag im Emscher Landschaftspark“ – und ich den extra vorher nicht durchgelesen, das werde ich jetzt gleich mal […]
[…] Ein Tag im Emscherlandschaftspark mit Michael. […]
[…] Für noch mehr Inspirationen schaut mal auf den Blogs von Kaddinator, Wahlheimat.Ruhr und Eichental vorbei. […]
Hallo Michael,
einen sehr schönen Tourbericht präsentierst Du uns hier.
Das geschriebene und die dazu passenden Aufnahmen machen einfach laune, nächstes Jahr auch mal so eine geführte Tour zu unternehmen.
Bei mir müsste es nur in umgekehrter Reihenfolge sein, von Ost nach West.
Grüße aus Unna,
Andreas
Freut mich, daß dir der Bericht gefallen hat. Ob es entsprechende Reisen gibt kann ich spontan nicht beantworten, die Mitarbeiter(innen) von http://www.emscherlandschaftspark.de können da bestimmt weiterhelfen. Schick doch mal eine e-mail hin.